zu Dimitri Shostakovich: Klaviertrio Nr.2, Largo
Buntstiftzeichnung, Rötel, Pastell, Sand, aus Knetmasse modellierte Fruchtbarkeitsgöttinnen, Gold, Collage aus blauem Buntpapier (Schlagzeilen über den aktuellen Schönheitswahn)
70 x 50 cm
BEIM SCHÖNHEITSCHIRURGEN
Du schleichst verschüchtert ins Foyer,
dein Bauchspeck spannt, dein Kopf tut weh.
Das Neonlicht strahlt schmerzhaft grell,
wie deine Panik vorm Skalpell.
Jetzt spähst du in den Warteraum.
Was sich dort abspielt, glaubst du kaum:
Ganz Wien ist da zum Fettabsaugen,
schmiert sich Cremen um die Augen,
schwärmt vom Hinternkorrigieren
und vom Busenmaximieren.
Spukhaft grinst der Damen eine,
Witz besitzt sie, Wangen keine.
Schlauchbootlippen hat die zweite
mit der Luftschiffoberweite.
Ihre Nasenbeinruine
hat die Größe einer Biene.
Antlitze von Marmorglätte
spiegeln munter um die Wette.
Wie nach einer Durchfallseuche
räkeln sich die Waschbrettbäuche.
Büsten von monströser Fülle
sprengen siegreich jede Hülle.
Wespentaillen! Bambibeine!
Alles in perfekter Bräune!
Skeptisch kräuselst du die Stirn.
Ein Stimmlein martert dein Gehirn.
Erst flüstert es, dann wird es laut:
"Hat keine hier Orangenhaut?!"
Das ‚Nein’ der Einsicht ringt dich nieder.
Mutlos senkst du deine Lider,
denn du ahnst: Du bleibst allein,
schmückt Zellulitis dein Gebein.
Schon siehst du dich als fette Nonne,
Stiefkind aller Sinneswonne,
eingeschweißt ins Büßerkleid,
Allegorie der Einsamkeit.
Nun steht im Handbuch für Frustrierte:
'Tröstung schenkt die Illustrierte.
Fühlst du dich wie Bodenlurch,
so blätt’re die Journale durch,
denn nichts versüßt dir Gram und Trübsal,
wie ein hartes Promischicksal!'
Du ergatterst so ein Blatt
und prüfst, was es zu sagen hat.
(liest):
'Die beste Scheidungsprävention:
das Eheweib aus Silikon!'
'Gab's Kindersex im Priesterheim?
Gericht sagt ja, der Bischof nein.'
‚Prinz Charles war Vater von Diana!’
‚Lagerfeld liebt fette Männer!’
Trumps Geständnis: „Ich bin Gott“,
‚Miss Austria heißt Elfi Ott’
‚Die Schönheitskur als Höllenritt:
Chirurg stopft Brust mit Dynamit!’
Da plötzlich fühlst du dich genesen,
und gedopt vom Zeitunglesen
fliehst du aus der Beautypraxis
auf den Schwingen eines Taxis,
eilst nach Haus und vor den Spiegel,
zählst am Hintern deine Hügel,
siehst die Augenfältchen keimen
und das Fell auf deinen Beinen,
freust dich an der Blitzentfaltung
und der üppigen Gestaltung
deiner Rubensprachtfigur
und denkst: „Es lebe die Natur!“
© Marc Andeya-Trefny